Farbenfrohe E-Reader

Das Anliegen, meine Augen weniger zu strapazieren.

30.12.2023

An einem normalen Tag sitze ich zwischen sechs und zwölf Stunden vor einem Bildschirm in irgendeiner Form. Please don't judge. Sei es direkt am Arbeitslaptop, am an die Dockingstation angeschlossenen Bildschirm, vor dem Monitor meines privaten Desktop PCs, dem Display meines Steam Decks, oder - last but not least - auch schlicht meinem Smartphone. Die gerade genannte Schätzung umfasst also sowohl meine Arbeits- als auch Freizeit und am Ende des Tages summieren sich die Stunden auf diese Weise ziemlich schnell auf.

Wie aber schon aus dem Titel dieses Gedankenbeitrags zu erahnen ist, scheint das nicht ganz spurlos an mir vorüberzugehen. Wir wissen alle, dass das den Augen auf Dauer nicht gut tut. Zu viel Licht, insbesondere das blaue, das uns stundenlang aus geringer Entfernung anflackert und unsere Augen springen darauf vor und zurück und hin und her. Meine fast täglich genutzten Bildschirme basieren auf diversen Technologien (TN und IPS Panels mit LED Backlight, IPS LCD, OLED) und bieten ebenso große Unterschiede in ihren Auflösungen (3840x2160, 1920x1080, 1280x800, und das etwas seltenere 3840x1644). Was in dieser langen Liste aber bisher noch nie vorkam, ist ein Gerät mit einem E Ink Display. Und das möchte ich gerne ändern.

Diese Art des elektronischen Papiers erfreut sich schon seit vielen Jahren (mittlerweise sogar Jahrzehnten) in stetig verbesserter Form wachsender Beliebheit bei Leseratten, Alltagsleser:innen, professionellen Lektor:innen und vielen anderen Gruppen. Ich rede hier bewusst nicht von Bibliophilen. Diese Liebe zum Sammeln besonders schöner Bücher – sei es wegen ihrer Gestaltung, Illustration, dem Schriftsatz oder Einband – ist wohl zu weiten Teilen inkompatibel mit digitalisierten Sammlungen von Texten auf äußerst kompakten Lesegeräten. Das heißt natürlich nicht, dass es hier keine Schnittmengen gäbe (die gibt es immer), sondern lediglich, dass es zwei verschiedene Paar Schuhe sind, die nichtsdestrotz und ganz zweifelsfrei immer noch als Schuhe einzuordnen sind. Die Vor- und Nachteile der Technologie sind mittlerweile weithin bekannt und lassen sich leicht recherchieren, daher beschränke ich mich auf eine ganz kurze Zusammenfassung was ich daran besonders faszinierend oder hervorhebenswert finde:

All diese Eigenschaften sind an sich schon spannend und bringen dann im Gesamtbild so viel auf den Tisch, dass ich nicht mehr drumrum komme als mich endlich damit zu befassen. Aber besonders der letzte Punkt ist es, der mich nun zu diesem Test verführt hat, denn die Möglichkeit Grafiken in Artikeln aus akademischen Fachzeitschriften und sonstigen Magazinen (z.B. brandeins) in Farbe betrachten zu können, finde ich durchaus verlockend. Obendrein erlaubt eine auch noch so reduzierte Farbdarstellung die Hervorhebung von Textpassagen in unterschiedlichen Farben sowie handschriftliche Notizen quer über die Dokumente.

Ansprüche und Geräteauswahl

Meine Ansprüche an einen e-Reader ergeben sich zum allergrößten Teil aus meinen alltäglichen Arbeitsaufgaben, nämlich dem Lesen und Markieren von Texten, oftmals wissenschaftlicher Natur. Bevor ich mit der Suche nach geeigneten Geräten auf dem Markt anfing, habe ich mich bewusst nicht dazu entschlossen einfach ins kalte Wasser zu springen, sondern machte mir ein paar Gedanken darüber, welche Aspekte mir wichtig dabei sind. Denken bevor man konsumiert? Puh, wie altmodisch... Diese Überlegungen habe ich zu der Zeit nicht direkt aufgeschrieben, daher hier eine grobe Rekapitulation dessen, was mir vor einigen Monaten durch den Kopf schwirrte:

Des Weiteren würde ich mir folgende Eigenschaften wünschen, welche ich aber erst mal als optional ansehe:

Was mir hingegen nicht so wichtig ist, sind ein außerordentlich schneller Bildaufbau, eine integrierte Kamera (weder auf Front noch Rückseite), Handschrifterkennung und Umwandlung per KI, Spiele, und sonstiger Kladderadatsch den ich durch die Bank besser mit meinem Smartphone oder gar einem darauf spezialisierten Gerät (z.B. Kamera) erledigen kann. Ich bin im Grunde genügsam\marginnote{genügsam}{Manche bezweifeln das.} und mag es in der Regel, wenn Dinge einfach das tun wofür sie geschaffen wurden und das dann aber auch bitte so gut wie möglich. Diejenigen von euch, die ein wenig Nähe zum Tech Bereich haben oder sich – so wie ich – schlicht gerne mit solchen Themen befassen, werden hier sicherlich direkt hellhörig geworden sein. Ja, dieser Gedanke ist geistig sehr nah an Teilen der Unix-Philosophie und bezieht diese schlicht nicht nur auf Soft- sondern auch auf Hardware. Nix revolutionäres, klaro, aber auf jeden Fall auch kein schlechtes Leitbild.

Tja, nun war es leider so, dass ich mich trotz einiger Recherchezeit am Ende nicht entscheiden konnte, welches Gerät für mich und meine Ansprüche am besten passt. Technische Spezifikationen und öffentliche Reviews sind nicht alles. Am Ende hilft es dann nur, wenn man die Geräte selbst in die Hand nimmt und das Gesamtpaket von Herstellungsqualität, Gewicht, Größe, usw. in echt (also live und in Farbe!) erlebt. Und das ist nun auch der eigentliche Grund warum ich meine Gedanken dazu hier einstelle. Vielleicht sind ja die Eine oder der Andere von euch in einer ähnlichen Lage wie ich und meine Erfahrungen sind für euch in irgendeiner Weise hilfreich.

Geräte

PocketBook InkPad Color 2

Link zum Hersteller

Das Gerät kostete mich 288,- € inkl. Schutzhülle (10% Rabatt auf UVP 319,- €). Preislich liegt das irgendwo im Mittelfeld. Normale E-Reader gibt es schon für ein Viertel dessen, aber für einen farbigen E Ink Reader ist das noch relativ günstig. Die Verarbeitung ist ziemlich solide. Eine Schutzhülle lässt sich direkt mit dem Chassis des Readers verbinden und fügt sich angenehm ein.

Das InkPad Color 2 hat ein 7,8 Zoll großes E Ink Kaleido Plus Display. Das wichtigste zuerst: Die Farben sind ausgewaschen und der Hintergrund sehr grau. Schrift und Abbildungen wirken als lägen sie unter Milchglas oder einer dünnen Lage Backpapier, lassen somit scharfe Kanten vermissen und müheloses Lesen ist schlicht nicht möglich. Wenn man nicht im grellen (!) Sonnenlicht sitzt, muss man quasi immer zumindest ein klein wenig die Hintergrundbeleuchtung anschalten. Das steht natürlich im starken Kontrast (no pun intended) zum gesetzten Ziel von den Flackerbildschirmen wegzukommen. In halbdunkler Umgebung wie einem nicht perfekt ausgeleuchteten Zimmer wird dieser technische Mangel eklatant sichtbar und es wird den potentiellen Nutzer:innen direkt klar, dass mit diesem Gerät keine produktive und mehrstündige Arbeitssession möglich ist.

Obendrein ist mir das Display aber auch schlicht zu klein, um ernstzunehmende Arbeit daran zu verrichten. Pures Lesen funktioniert aber durchaus gut, das muss ich zugeben. Wäre mein Ziel also ausschließlich in Büchern zu schmökern und durch Zeitschriften zu blättern, wäre ich dieser Gerätedimension ganz und gar nicht abgeneigt. Artikel die sich nicht einfach mit der eigentlich ziemlich tauglichen Reflow Funktion darstellen lassen (etwa weil sie ein suboptimaler Scan eines obskuren Briefpapierformats aus den USA sind),

Und als wäre das nicht genug, gestaltet sich auch das Einfügen von Markierungen in den Text schwieriger als nötig. Das Hin- und Herwechseln zwischen den (wenigen) zur Verfügung stehenden Farben ist langsam. Die Markierung mit den Fingern ebenso träge wie ungenau. Handschriftliche Notizen hinzuzufügen ist komplett ausgeschlossen. Eine Unterstützung für einen echten Stylus mit mehrstufiger Druckempfindlichkeit gibt es nicht.

Das Gerät taugt einfach nicht für den von mir erhofften Workflow und fliegt somit vollends aus dem Rennen. Trotzdem möchte ich noch ein paar weitere, weitgehend positive, Worte zu den anderen relevanten Details des Geräts verlieren:

Onyx Boox Tab Ultra C

Link zum Hersteller

Das Gerät kostete mich 649,- € inkl. Stylus (UVP 649,99 €) was auf jeden Fall schon ein ganz schöner Batzen Knete für so ein Zweit- bis Viertgerät ist. Leider musste ich es bei Amazon bestellen, was ich immer soweit es geht vermeide, da es zum Testzeitpunkt wirklich nirgendwo lieferbar war. Nach einigen Wochen war ich das Warten dann leid und ließ die Neugier siegen.

Das Tab Ultra C hat ein 10,3 Zoll großes Display mit der E Ink Kaleido 3 Technik. Farblich bietet das Gerät ein ganzes Stück mehr als das o.g. Kaleido Plus des PocketBook Readers. Trotzdem sind die Farben keineswegs als brilliant oder lebhaft zu bezeichnen, zumindest sofern die Hintergrundbeleuchtung ausgeschaltet bleibt. Die Hintergrundfarbe des Displays scheint zwar einen Hauch gelbstichig und etwas weniger grau als beim InkPad Color 2, das Problem der schlechten Lesbarkeit aufgrund von mangelndem Kontrast bleibt uns aber auch hier erhalten. Wieder mal würde die Hintergrundbeleuchtung hier Abhilfe schaffen und wieder mal macht das dann die große Stärke eines E Ink Displays zunichte.

Die Bedienung erfolgt flüssig per Berührung mit den Fingern oder dem mitgelieferten drucksensiblen Stift. Die Bildauffrischrate ist angenehm fix und lässt sich auch nach eigenen Vorlieben einstellen um das technisch bedingte Ghosting mehr oder weniger gut zu vermeiden.

Das Betriebssystem ist Android 11 mit einigen Anpassungen von Boox, um das System an die niedrige Bildwiederholrate des E Ink Displays anzupassen. Android 11 allein ist zwar jetzt auch schon drei Jahre alt, was man verkraften könnte, aber leider wird das Tablet obendrein mit veralteten Sicherheitspatches ausgeliefert. Das lässt mich dann doch müde eine Augenbraue heben und hinterlässt das übliche G'schmäckle eines Herstellers dem es primär darum geht Geräte auf den Markt zu bringen, welche dann DOA sind und auf absoluter Supportsparflamme ihr Dasein fristen dürfen. Das darf aber bei einem System wie Android genauso wenig der Fall sein wie überall anders auch. Schade, dass Boox hier so schludert und quasi direkt Elektroschrott auf den Markt bringt, weil sie offensichtlich zu faul sind, um minimale Sicherheitsansprüche zu erfüllen.

P.s.: Es erscheint mir gerade aus irgendwelchen Gründen wichtig zu erwähnen, dass ich diesen Test hier im Sommer 2023 durchgeführt habe. Seitdem gibt es nun einen Haufen Reviews zum Gerät und insbesondere werden mir immer mal wieder Videos in meinen Feed gespült. Zum Beispiel dieses hier, welches sich auch mit den Sicherheitspatches befasst, oder jenes dort. Der Großteil dieser Videos dreht sich aber um die gleichen Themen und ist so ähnlich aufgebaut und motiviert, dass man fast meinen könnte, Boox würde eine recht aggressive Werbekampagne mit YouTubern betreiben... Na, ich will mich nicht allzu sehr dran reiben – so funktioniert heute nun mal die Welt.

Gallerie

Hier noch einige visuelle Impressionen. Ein Klick auf die Bilder zeigt sie in voller Größe. Vergleichspunkt war immer der geöffnete Browser auf der DuckDuckGo Startseite.

Die Belichtung der Schnappschüsse gestaltete sich etwas schwierig, wenn es darum ging, die Weiß- und Grautöne zu vergleichen. Beim Ablichten habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, daher sind die Bilder in dieser Hinsicht mit Vorsicht zu genießen. Besser wäre also, man legt nicht allzu viel Gewicht auf die dargestellten Farben, sondern konzentriert sich eher auf die Vergleiche untereinander.

Boox Gerät. Ohne Hintergrundbeleuchtung. Das Boox Gerät liegt auf einem Holztisch. Oben links befindet sich darunter ein weißes Blatt Papier.

PocketBook Gerät. Ohne Hintergrundbeleuchtung. Das PocketBook Gerät liegt auf einem Holztisch. Oben rechts befindet sich darunter ein weißes Blatt Papier.

Ohne Hintergrundbeleuchtung. Die zwei getesteten Geräte liegen nebeneinander auf einem Holztisch. Dahinter liegt ein weißes Blatt Papier.

Mit Hintergrundbeleuchtung. Die zwei getesteten Geräte liegen nebeneinander auf einem Holztisch. Dahinter liegt ein weißes Blatt Papier.


Nahaufnahmen der beiden Geräte vor weißem Papier als Hintergrund:

Mit Hintergrundbeleuchtung. Nahaufnahme der beiden getesteten Geräte nebeneinander auf einem Holztisch. Dahinter liegt ein weißes Blatt Papier.

Ohne Hintergrundbeleuchtung. Nahaufnahme der beiden getesteten Geräte nebeneinander auf einem Holztisch. Dahinter liegt ein weißes Blatt Papier.


Eindrücke der Menüs/Control Centers:

Mit Hintergrundbeleuchtung. Die zwei getesteten Geräte liegen nebeneinander auf einem Holztisch. Dahinter liegt ein weißes Blatt Papier.

Ohne Hintergrundbeleuchtung. Impression des Menüs des PocketBook Geräts

Fazit

Beide Testgeräte gingen zurück an ihre Absender. Zum heutigen Stand ist das Zeug für meine Ansprüche und Einsatzzwecke weiterhin nicht zu gebrauchen. Würde ich ausschließlich Bücher im epub Format lesen wollen, würde ich wohl zu einem günstigeren Schwarzweißgerät von PocketBook oder einem vergleichbaren Hersteller greifen. Der Boox Reader konnte mich alles in allem nicht überzeugen. Irgendwo zwischen knarzender Verarbeitung, recht hohem Gewicht, Grauschleier auf dem Display und fehlenden Sicherheitspatches lässt sich für mich ein so teures Gerät einfach nicht rechtfertigen.

Ich sitz jetzt doch wieder vor meinen üblichen Bildschirmen mit ihren 60Hz Wiederholungsrate und hoffe, dass eines Tages vielleicht mal eine wirkliche Revolution im Bereich der Monitortechnik auftritt. Bis dahin heißt es abwarten und Tee trinken. Oder einfach mal wieder öfters etwas auf Papier lesen. Hat früher auch funktioniert, da kann das so schlecht ja nicht sein. :)

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